Ein Gastbeitrag von Marketing Managerin und Yoga-Lehrerin Jenny Schuster
Ich möchte direkt mit einer sehr persönlichen Frage an dich starten: Was sind deine ersten Gedanken, wenn du in deinen Tag startest? In den meisten Fällen wird die Antwort darauf unweigerlich durch deinen bevorstehenden Arbeitstag geprägt sein. Zwangsläufig kommen einem unangenehme Meetings, nervige Kollegen, langweilige Aufgaben oder der unliebsame Chef in den Sinn. Das für viele Menschen die Antwort auf diese Frage mit großer Wahrscheinlichkeit negativ behaftet ist oder sich unbequem anfühlt, lässt sich in der Regel mit dem aktuellen Arbeitsverhältnis und der persönlichen Einstellung zu diesem begründen.
Brotjob oder Traumjob?
Betrachtet man die Einstellung von Arbeitnehmern zu ihrem Job, so lässt sich heute dort eine größere Vielfalt feststellen als noch vor einigen Jahren. Das liegt zum einen an einem Wandel in der Arbeitswelt als auch an dem Nachrücken jüngerer Generationen in Führungspositionen. Der Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Es sind nicht mehr die Arbeitgeber, welche das Angebot bestimmen – es sind die Arbeitnehmer. Sie haben die Qual der Wahl und stehen vor zahlreichen Möglichkeiten.
Nicht zu vernachlässigen ist das Profil dieser Arbeitnehmer: es handelt sich vielmehr um eine junge Generation mit dem Bedürfnis nach Mitgestaltung, Freiheit und Flexibilität. Aber das hört sich doch alles überhaupt nicht schlecht an, denkst du dir jetzt bestimmt? Und da gebe ich dir Recht. Das sind hervorragende Voraussetzungen für einen Umschwung der Arbeitswelt. Allerdings gibt es daran einen Haken: alte festgefahrene Systeme der Vorgenerationen. Psychologisch betrachtet möchte ich es lieber Glaubenssätze nennen. Doch darauf komme ich später nochmal im Detail zurück. Ich will nochmal die Fragestellung vom Beginn aufgreifen und mit dir meine persönliche Erfahrung teilen.
Die falsche Sicherheit
Seit gut zehn Jahren arbeite ich in ein und demselben Bürojob, in dem Unternehmen, in welchem ich schon meine Ausbildung gemacht habe. Ausgenommen einiger kleiner interner Umsetzungen sitze ich seit zehn Jahren genau an diesem ein und demselben Schreibtisch. Und noch vor Jahren hat es mich mit Sorge erfüllt, dass ich diesen Job verlieren könnte, obwohl ich doch unbefristet angestellt und somit abgesichert war. Klingt doch super, oder? Das möge man meinen, aber jetzt kommt das (eigentlich nicht) verrückte an der Sache: Gegenteilig aller Erwartungen war ich nicht glücklich mit dieser Situation.
Mal davon abgesehen, dass ich die Frage über meinen ersten Gedanken morgens nach dem Aufwachen noch nicht kannte, hatte ich jeden Morgen eine unterbewusste Antwort darauf. Ich wachte meistens schon vor dem Wecker auf und wurde von einem wirren Gedankenkarussell geweckt. Manchmal war mir kalt, manchmal war ich schweißgebadet. An manchen Tagen hat mir mein Körper unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass das nicht das ist, was er möchte. Mit meinem jetzigen Wissen und dem Zugang zu meinem Inneren, lässt sowas alle Alarmglocken in mir läuten, wenn ich von Leuten so etwas beschrieben bekomme. Ich selbst habe es viele Jahre lang ignoriert. Doch warum? Die Antwort darauf ist so einfach und doch so komplex: Weil ich nie gelernt habe mit so etwas umzugehen. Und genau hier kommen Glaubenssätze ins Spiel.
Glaubenssätze sind tief in unserem Unterbewusstsein verankerte Aussagen aus unserer Kindheit. Wenn dir als Kind gesagt wurde du bist zu laut, wirst du heute unterbewusst Wert darauf legen nicht aufzufallen und dich still zu verhalten. Hast du oft zu hören bekommen, dass die Arbeit vor dem Vergnügen kommt, wird es dir jetzt im Erwachsenenalter schwerfallen, etwas unerledigt zurückzulassen, bevor du in den Urlaub fährst. Ich könnte hier noch weitere Beispiele anfügen, aber ich denke du weißt was ich meine.
Hier spricht der Autopilot. Herzlich Willkommen an Board!
Diese Sätze sind tief abgespeicherte Informationen, auf welche dein Geist gern regelmäßig zurückgreift, um Ressourcen zu sparen. Man stelle sich vor wir müssten uns für jede Situation jedes Mal vom neuen eine Lösung überlegen. Glaubenssätze sind sozusagen unser Autopilot. Eine tolle Sache, aber auch nicht gerade ungefährlich!
Zurück zu mir und meiner morgendlichen Unruhe, welche sich regelmäßig mit Unlust abwechselte. Mein Körper wusste schon vor mir, dass es so nicht weitergehen kann. Mein Geist ging jedes Mal, wenn sich so eine Reaktion zeigte, in den Autopilot, welcher ihm sagte, dass ich nichts ändern kann, weil dieser Job doch so wichtig ist. Ohne ihn habe ich kein Geld, um mein Leben zu finanzieren. Und wie böse werden meine Eltern auf mich sein, wenn ich kündige. Schließlich haben sie sich so sehr darum bemüht, dass ich eine gute Ausbildung bekomme. Zack! Danke lieber Autopilot für all die vielen Gründe es nicht zu tun!
Und so vergingen Tage, Woche, Jahre. Ich denke zu wissen, dass ich nicht die einzige bin, der es so ergangen ist. Viele Arbeitnehmer schleppen sich jeden Tag zu einem Brotjob, welcher ihnen intrinsisch als Traumjob suggeriert wird. Doch so intrinsisch ist diese Motivation nicht. Es wird uns überall vorgelebt, dass es so sein muss. Es war ja schließlich schon immer so und irgendwer muss den Job ja machen. Die Arbeit kommt ja vor dem Vergnügen. Halt! Das mag alles irgendwann mal gestimmt haben, aber das muss es heute nicht mehr. Es mag sich verrückt anhören, aber Arbeit darf Spaß machen.
Vorbild Führungskraft
Glaubenssätze finden sich auch im beruflichen Kontext und dort wirken sie meistens noch intensiver. Vor allem, wenn der der sie lebt in einer Führungsposition sitzt. Ein Team zu führen, bedarf zum einen Erfahrung in einem Aufgabengebiet und zum anderen der eigenen Klarheit. Lässt es sich doch zur Genüge beobachten, dass leitende Personen ihr Team mit persönlichen Glaubenssätzen lenken und ihre eigenen Aussagen fehlerhaft kommunizieren. Wenn im Unternehmen Gleitzeit angeboten wird, es jedoch niemand nutzen kann oder möchte, weil der Vorgesetzte bis spät bleibt und mit Adlersaugen überwacht wer als erstes in den Feierabend geht – ist das eine authentische Form der Kommunikation? Wohl eher nicht. Was ist hiermit: Du hast die Anstellung angenommen, weil dir die Möglichkeit geboten wurde aktiv mitzugestalten und Verantwortung zu übernehmen. Aber auch nach einem Jahr in der Firma überlässt dir dein Abteilungsleiter immer noch kein Projekt. Auch das mutet nicht nach Kommunikation auf Augenhöhe an.
Natürlich wird (hoffentlich) kein Chef bewusst und mit Absicht sich so gegenüber seinen Angestellten verhalten. Denn auch hier sind, wie schon erwähnt, innere Glaubensätze am Werk. Diese können aus persönlichen Belangen entstehen – gefährlicher schätze ich allerdings die ein, welche im Unternehmen von einer Führungsgeneration an die nächste weitergegeben werden. Um solche festgefahrenen Denkweisen aufzubrechen, bedarf es eines wirklich unnachgiebigen Vorgesetzten, um seine älteren Kollegen zu überzeugen. Schließlich hat sich diese „das haben wir schon immer so gemacht“-Mentalität auch über Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte entwickelt. An ihr zu rütteln oder sie aufzulösen, braucht ähnlich viel Zeit.
Die Opferrolle
Ich möchte hier aber nicht die Führungskraft per se zum Schuldigen machen. Das Wort Schuld finde ich im Allgemeinen eher unangebracht. Da es in unserer Weltanschauung immer eine Person geben muss, welche die Verantwortung für eine Situation trägt. Womit ich direkt in eine weitere interessante Betrachtung einsteigen möchte. Es handelt sich hier um ein Zusammenspiel unseres Autopiloten mit dem Glauben daran, dass es einen Schuldigen geben muss: der Opferrolle. Dieses Wort löst in dir jetzt vielleicht eher Mitleid aus und du denkst an die eine Kollegin, welche tagtäglich so schwierige Aufgaben zu lösen hat, deswegen länger auf Arbeit bleibt und das auch jedem mitteilt. Vielleicht löst dieses Wort auch eher eine Abwehrhaltung oder Zustimmung in dir aus. Egal was es auslöst, du bist auf jeden Fall schon mal einem Menschen mit einer Leidenschaft für die Opferrolle begegnet.
Nehmen wir direkt die eigentlich nette, aber doch irgendwie immer gestresste Kollegin. In Gesprächen mit ihr fällt dir auf, dass sie die gleichen Aufgaben wie du bewältigen muss. Allerdings fällt dir auch auf, dass ihre Einstellung zu diesen sich ganz anders verhält als deine. Dich motiviert es Probleme zu lösen und gemeinsam mit anderen Kollegen nach Lösungen zu suchen. Hinzukommt, dass du deine Arbeit ohne Probleme und Überstunden schaffst. Sie hingegen ärgert sich häufig über Schwierigkeiten und ist so damit beschäftigt einen Schuldigen zu suchen, welchem sie, wenn sie ihn gefunden hat, es auch eindeutig zu spüren lässt.
Das negative Gefühl, welches dabei entsteht, saugt sie so förmlich in sich auf. Und das macht es ihr nicht mehr möglich das Problem distanziert zu betrachten, um zu einer Lösung zu kommen. So geht zum einen viel Zeit ins Land und was noch schlimmer ist: diese Haltung lässt sie nicht mehr Gestalter ihres Lebens sein. Also du merkst schon, dass ist eine komplexe Sache die weit über den beruflichen Kontext hinausgeht.
Die verzweifelte Suche im Außen
Wo wir wieder am Anfang und bei der Frage „Woran denkst du als erstes, wenn du morgens aufwachst?“ wären. Häufig habe ich den Eindruck, dass viele Menschen auf die ich treffe sich nicht bewusst sind was sie gern machen. Gefangen in einer Spirale aus einem mehr oder weniger befriedigenden Beruf und einem mehr oder weniger befriedigenden Privatleben vergeht ein Tag wie der andere. Gerade jetzt in der weltweiten Covid19-Pandemie, wo unser Alltag nur diese zwei Facetten hat, lässt sich dieses Phänomen zunehmend entdecken. Und es verursacht, aus einem leicht zu erkennenden Grund, Unzufriedenheit: fehlende äußere Reize in Form von Unterhaltung jeglicher Art.
Damit möchte ich zwischenmenschlichen Kontakten nicht die Wichtigkeit für jeden einzelnen absprechen, schließlich ist das ein essentieller Bestandteil und auch Grundlage unserer Gesellschaft. Doch die fehlende extrinsische Unterhaltung offenbart eine Schwäche dieser. Nicht jeder ist in der Lage mit sich „zu sein“. War doch alles in der Vergangenheit eine willkommene Ablenkung von den eigenen Baustellen, welche wir eher ungern angehen. Dazu zählt auch das Wissen darüber was wir wirklich gern tun, was uns erfüllt.
Schnell neigt man dazu auf die sprichwörtlich „andere Straßenseite“ zu schauen, auf der bekanntlich alles besser ist. Kommt dir da der Kollege aus dem Büro gegenüber in den Sinn? Dessen Aufgabengebiete sind viel spannender und er begleitet den Chef regelmäßig zu wichtigen Terminen. Zudem fährt er ein teures Auto, ist gut gekleidet und macht immer einen so zufriedenen Eindruck. „Das will ich auch!“ entsteht ein Gedanke voller Sehnsucht in dir. Der Autopilot in deinem Kopf hat darauf auch schon eine Antwort parat. Der einfachste und effektivste Weg sollte es doch sein es dem Kollegen gleich zu tun? Doch auch der Kauf eines solchen Autos und das Tragen ähnlicher Kleidung bringt nicht den gewünschten Erfolg.
Mehr Authentizität in der Arbeitswelt
Ich wünsche mir für nachrückende Generationen mehr Authentizität, Empathie und Selbstverantwortung – egal ob in Führungsrollen oder als Angestellte. Zusammenfassend betrachtet, sehe ich spirituelle Herangehensweisen in der Arbeitswelt als durchaus nützliche Ansätze, um Teams zu leiten, Mitarbeiter zu verstehen und auch mehr in Verbindung mit sich selbst zu gehen. Es ist also keinesfalls eine abgegrenzte Betrachtung. Vielmehr ist hier jeder in der Verantwortung. Sich selbst und seinen Mitmenschen und Teamkollegen gegenüber. Die Umsetzung allein gelingt nur, wenn jeder seine eigene Straßenseite zuerst kehrt. Also die bewusste innere Arbeit mit den eigenen Glaubenssätzen, Werten, Bewertungen und Gefühlen. Das ist auch die Grundlage für Veränderungen im eigenen Leben. Diese werden wir nie erfahren, wenn wir die Schuldigen stets in anderen suchen. Erst dann erreichen wir Selbstwirksamkeit und werden zum Gestalter und werden unser Leben so leben wie es uns glücklich macht.
Jenny Schuster
Jenny ist gelernte Fachangestellte für Bürokommunikation und heute als Marketing Managerin sowie Yoga-Lehrerin tätig. Zwischen Büro und Yoga-Studio hat sie ihren perfekten beruflichen Ausgleich gefunden. Ihre persönlichen Erfahrungen teilt sie sowohl im Yoga-Kurs als auch in verschiedenen Angeboten des betrieblichen Gesundheitsmanagements.
Great Article Jenny! Well done!!!
Liebe Jenny,
wie Du selbst festgestellt hast, befinden wir uns in einer Umschwungphase. Leider sind unsere Strukturen verkrustet. Viele Menschen suchen Halt in einer vermeintlich sicheren Umgebung und vertrauen dabei auf ihren Autopiloten. Die Strukturen sind nunmehr in Industriebetrieben seit Beginn des 20. Jahrhunderts gewachsen und lassen sich daher auch nicht von heute auf morgen verändern. Dies ist aber kein Problem von Führungskräften und Mitarbeiter:innen ab einem gewissen Alter. Ich kenne genügend junge und mittelalte Menschen, denen einfach der Mut fehlt, sich zu verändern.
Wobei ich bei der wichtigsten Veränderung wäre, die in Unternehmen dringend notwendig ist, die Abschaffung von Hierarchien. Bislang galten Hierarchien als Treppenstufe für den beruflichen Aufstieg. Braucht man diese? Geht es nicht vielmehr darum, Kundenbedürfnisse (intern u. extern) zu befriedigen? Wie helfen dabei Hierarchien? Müssen nicht vielmehr Kompetenz, Aufgabenstellung und Entscheidung auf einer Stufe stehen? Im Projektmanagement mit SCRUM wird uns diese neue Organisationsstruktur vorgelebt. Bei meinen SCRUM-Kursen bin ich stets aufs Neue überrascht, welch kreative Ideen die Teilnehmer:innen in kürzester Zeit auf die Beine stellen, bspw. CeVeVe.de. Dies war eine Gruppe, die nach dem Kurs weitergearbeitet hat an dem Projekt. Der Kern mit ca. 80% der Aufgaben wurde in 3,5 Tagen erstellt! Was will ich damit sagen? Projektmanagement ist temporäre Unternehmensführung. Warum wenden wir sie nur temporär an statt permanent? Gerne können wir das Thema weiterbesprechen. Felix kann Dir meine Kontaktdaten vermitteln. Vielleicht bringen wir gemeinsam den Arbeitsmarkt ein wenig in “Wallung :-)”.